Ich hatte nur eine Woche Zeit, wollte unbedingt am Meer entlang laufen und ein Land erkunden, das ich bisher noch nicht bereist hatte. Somit wählte ich für meine Route den kürzesten und – wie ich jetzt beurteilen kann – wunderschönen Jakobsweg in Portugal. Bisher war mir nur der klassische Camino Francés bekannt, der sein großes Ansehen vor allem durch Hape Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg“ erlangte. Mit einer Gesamtlänge von über 800 km und 32 Etappen braucht man insgesamt ca. 5 Wochen, um den Norden Spaniens zu erlaufen.
So viel Zeit am Stück konnte ich mir leider nicht freinehmen. Daher beschäftigte ich mich näher mit dem umfangreichen Thema „Jakobsweg“ und stellte fest: Viele Wege führen nicht nur nach Rom, sondern auch nach Santiago de Compostela. Relativ schnell war für mich allerdings klar, dass bei der großen Auswahl an Wegen nur der Caminho Português aufgrund seiner Küstennähe der Richtige für mich sein würde.
Beim Jakobsweg Portugal kann sich jeder individuell seinen Wunsch-Startpunkt festlegen. Denn mittlerweile ist es möglich, bereits ab Lissabon, über Fátima und Coimbra, zu pilgern. Wie ich allerdings im Vorfeld las, gibt es hier noch ungenaue Wegmarkierungen, das Unterkunftsnetz ist nicht so gut ausgebaut und dieser Routen-Abschnitt führt größtenteils über ländliche Gegenden. Aus diesen Gründen erschien für mich der traditionelle zentrale Jakobsweg mit dem Ausgangspunkt in Porto reizvoller.
1. Schritt für Schritt zum Pilger
1.1. Warum Pilgern?
Geht das denn überhaupt ohne religiösen Hintergrund? Ja, klar! Im ursprünglichen Sinne machen sich gläubige Menschen auf den Weg zu einem heiligen Ort, um die Nähe Gottes auf eine besondere Art und Weise zu erleben und den Apostel Jakobus zu verehren. Sie erhofften sich währenddessen die Vergebung von Sünden und die Heilung von Krankheiten. Heutzutage pilgern immer noch vorranig religiös motivierte Menschen, dennoch gibt es weitaus mehr Motive, die Jakobswege zu begehen – von der reinen Abenteuerlust bis hin zum touristischen oder kulturellen Interesse. Das Wort „pilgern“ kommt aus dem lateinischen und bedeutet ganz einfach „unterwegs sein“ bzw. „wandern“. Somit kann das wirklich jeder!
Pilgern im spirituellen Sinne bedeutet immer eine Reise mit sich bzw. zu sich selbst. Daher nutzen viele moderne Wegbegeher den Jakobsweg auch als eine Art kostengünstige Therapiemethode, während Sie Orientierung und den Sinn des Lebens suchen. Man ist 24 Stunden, mehrere Tage oder Wochen hintereinander allein mit sich selbst und hat ausreichend Zeit, alles zu verarbeiten, was im Alltag in den Hintergrund rückt. Seien es persönliche Schicksalsschläge, Probleme oder Blockaden. Danach hat man wieder neue Energie gewonnen und fühlt sich befreiter.
Gehen ist des Menschen beste Medizin.
Die Auseinandersetzung mit einem bestimmten persönlichen Problem lag bei mir nicht unbedingt im Vordergrund. Dennoch war ich natürlich offen für jegliche positive Nebeneffekte, mich selbst besser zu fokussieren. Mein Ziel war es, mich einfach zu bewegen – weg von flimmernden Bildschirmen und dem Konsum überlasteten Alltag – raus in die Natur. Bei meinem 40-Stunden Bürojob brauchte ich einen Perspektivwechsel und neue Impulse.
1.2. Jakobsweg Portugal: Wie bereite ich mich vor?
Reiseführer
Um die Route besser zu planen, kaufte ich mir im Vorfeld zwei Reiseführer. Somit erhielt ich einen besseren Überblick über alle Etappen, die jeder individuell und nach persönlicher Kondition – schon im Vorfeld oder vor Ort – festlegen kann. Diesen kann ich besonders empfehlen: „Jakobsweg Caminho Português von Porto nach Santiago und Finisterre (Der Weg ist das Ziel)“ von R. Joos*. Neben detaillierten Beschreibungen und Hintergründen findet man hier auch verschiedene Routen Variationen und günstige Übernachtungsmöglichkeiten.
Training
Da es sich hierbei um einen „leichten“ Weg handelt, muss man kein Athlet oder Wanderprofi sein. Dazu zähle ich mich definitiv auch nicht. Dennoch ist es prinzipiell von Vorteil, wenn man sich hin und wieder sportlich betätigt. Meine zwei bis drei Fitnessstudio-Kursbesuche die Woche und ab und zu mal joggen, haben mich zumindest konditionell unterstützt. Sportmuffel müssen trotzdem keine Angst haben. Denn jeder wählt sein Tempo und seine Etappenziele Tag für Tag selbst. Das Pilgern ist kein sportlicher Wettkampf.
Transportmittel buchen
Außer Frage steht natürlich, Hin- und Rückflüge bzw. andere Transportmittel für den Jakobsweg Portugal, wie Zug oder Bus nach Porto und von Santiago de Compostela zu buchen. Zum Zeitpunkt meiner Flugbuchung (3 Wochen vor der Reise) gab es günstige Angebote, wobei der Rückflug einen Zwischenstopp in Madrid beinhaltete. Somit beschloss ich, noch einen 24-stündigen Aufenthalt in der Hauptstadt Spaniens anzuhängen. Das bedeutete gleichzeitig, dass ich etwas weniger als eine Woche für den Caminho Português Zeit hatte.
Eine Unterkunft buchen
Sinnvoll ist es ebenfalls, vorab eine Unterkunft für den ersten Tag und in der Nähe vom Startpunkt des Jakobswegs (Kathedrale Porto) zu buchen. Damit ist man auf der sicheren Seite. Da ich erst am Freitag Abend in Porto anreiste und einen zusätzlichen Erkundungstag einplante, buchte ich zwei Nächte im The Passenger Hostel*. Weitere Unterkünfte findest du hier*.
1.3. Was benötige ich für den Jakobsweg Portugal?
Jakobsmuschel
Aus einer mittelalterlichen Tradition heraus kann die bekannte Jakobsmuschel* erworben und symbolisch am Hut bzw. am Rucksack getragen werden. Dadurch, dass ich einen atheistischen Hintergrund habe, mich mit dem klassichen Brauch und der Ästhetik des Gegenstands nicht identifizieren konnte, entschied ich mich gegen das Tragen der Muschel. Viele nutzen die Symbolik allerdings auch als Mittel, um ein Zugehörigkeitsgefühl zu erzeugen und als Teil der Pilger-Gruppe zu gelten. Außerdem dient sie nach der Reise oftmals als Art Pokal oder Medaille, um mit Stolz auf das Geleistete zurückblicken zu können.
Pilgerausweis
Das Beantragen eines Pilgerausweis 2-3 Wochen im Vorfeld für den Jakobsweg Portugal ist durchaus sinnvoll. Ähnlich wie bei der Jakobsmuschel kann er als Teilnahmebestätigung dienen. Wer den Jakobsweg über fleißig Stempel an den entsprechenden Stellen (Kirchen, Bars, offizielle Ämter, Unterkünfte, etc.) sammelt und die letzten 100 km zu Fuß gelaufen ist, wird am Ende in Santiago sogar mit einer offiziellen Urkunde belohnt: der Compostela. Darüber hinaus erhält man in öffentlichen und kirchlichen Herbergen noch Ermäßigungen gegen Vorlage des Ausweis. Auf der Website des Deutsche St. Jakobus-Gesellschaft e.V. kann der Pilgerausweis kostenfrei bestellt werden. Allerdings wird um eine Spende in Höhe von 10 € für die Bereitstellung und als Unterstützung des Vereins gebeten.
Rucksack
Zu Beginn recherchierte ich nach Handgepäck-geeigneten Rucksäcken. Denn mehr als einen 35L Outdoor-Rucksack braucht es nicht, wenn man bedenkt, dass dieser die ganze Zeit auf dem eigenen Rücken sitzt. Schnell überfordert von der riesen Web-Auswahl an Outdoor-Rucksäcken in allen möglichen verschiedenen Ausführungen, ließ ich mich lieber bei Globetrotter beraten. Hier probierte ich mehrere Modelle auf und entschied mich schließlich für den optisch ansprechendsten. Sicherlich erfüllte dieser glücklicherweise auch alle funktionellen Kriterien und punktete mit einem praktischen Seitenreißverschluss. Der stellte sich als überaus praktisch während der Reise heraus, da man seinen Rucksack mehrfach täglich packen muss. Hier verlinke ich euch einmal meinen hellblauen Liebling: Fjällräven ABISKO FRILUFT 35*.
Es reist sich besser mit leichtem Gepäck!
Schrittzähler
Um überhaupt eine Vorstellung davon zu erhalten, welche Strecken man tagtäglich zurücklegt, eignet sich bestens ein digitaler Schrittzähler. Sicherlich lassen sich auch über diverse Smartphone-Apps Schritte und Kilometer erfassen, diese sind jedoch nicht so genau wie Geräte, die am Körper getragen werden. Ich bin ein Fan von der leichten FitBit Alta HR, die gleichzeitig meine Uhr am Handgelenk abgelöst hat. Hier können neben Uhrzeit und Datum, Schritte, Herzfrequenz, Kilometer, verbrauchte Kalorien und bewegte Zeit gemessen werden. Alle neusten FitBit-Modelle und Vergleiche seht ihr hier*.
Kartenmaterial
Im Prinzip findet man sich aufgrund der vielen Wegmarkierungen und Schilder sehr gut auf dem Jakobsweg zurecht. Trotzdem orientiere ich mich generell gern an Karten, um meine genaue Position zu bestimmen und zu sehen, wie weit ich von meinem nächsten Ziel entfernt bin. Auf meinem iPhone ist bereits die kostenlose App Maps.Me installiert, die ich prinzipiell immer auf Reisen nutze. Und auch auf dem Caminho Português hat sie gute Dienste erwiesen. Nachdem man vor der Reise die jeweilige Landkarte heruntergeladen hat, ermöglicht die App, sich auch offline zu bewegen und individuelle Pins bzw. Wegmarkierungen zu setzen.
2. Meine Jakobsweg Portugal-Route im Überblick
MEINE JAKOBSWEG PORTUGAL ROUTE
ROUTENVERLAUF
- Tag: Porto
- Tag: Porto – Vila do Conde
- Tag: Vila do Conde – Esposende
- Tag: Esposende – Viana do Castelo
- Tag: Viana do Castelo – Caminha
Caminha – Valença (Zug)
Valença – Tui - Tag: Tui – Santiago de Compostela (Bus)
- Tag: Santiago de Compostela – Madrid (Flug)
ALLGEMEINES ZUM JAKOBSWEG PORTUGAL
- Route: Porto nach Santiago de Compostela (Start auch ab Lissabon möglich)
- Gesamtlänge: 240 km
- Schwierigkeitsgrad: leicht
- Dauer: ca. 2 Wochen
- Ideale Pilger-Zeit: April bis September
3. Porto – Aufwärmen für den Jakobsweg Portugal
Meine Empfehlung ist, erst am zweiten Tag mit dem Jakobsweg zu starten und somit Land und Leute Portugals besser kennenzulernen. Den allerbesten Einstieg bekommt man, wie ich finde, in Porto. Die zweitgrößte Stadt hat neben Portwein noch einiges zu bieten: farbenfrohe Fassaden und Azulejos (Fliesen), romantische Gässchen, viele wunderschöne Ausblicke und Pastéis de Nata! Das sollte man sich auf gar keinen Fall entgehen lassen.
Am späten Freitag Nachmittag landete ich in Porto und fuhr mit der Metro zum historischen Bahnhof São Bento, indem sich meine Unterkunft befand. Ich staunte erst über die beeindruckende Fliesen-besetzte Eingangshalle und fand dann recht schnell den Eingang des „The Passenger“-Hostels. Sehr freundlich wurde ich begrüßt und sofort zu meinem Bett in einem 10-Betten-Schlafsaal gebracht. Ja, das sind viele Menschen in einem Raum, aber mit dem Vorhang am Bett und einem verschließbaren Spint kann man sich schon Privatsphäre schaffen. Ich war überaus begeistert vom urbanen-schlichten Stil, der sich durch die ganze Unterkunft zog. Ein so sauberes und stylisches Hostel habe ich selten gesehen. Sowohl von der einzigartigen Lage, als auch von der Ausstattung her, kann ich es wärmstens empfehlen. Von hier aus lässt sich alles Sehenswerte wunderbar in kürzester Zeit erreichen.
Bei Sonnenuntergang schlenderte ich durch die Blumenstraße in Richtung Flussufer. Überall bemerkte ich buntes Treiben mit einigen Straßenkünstlern und lebensfrohen Menschen, die sich in Cafés trafen oder so wie ich, die Stadt erkundeten. Am Douro war sogar noch ein kleiner Markt aufgebaut. Nach Überquerung der Ponte Dom Luís I fand ich schnell ein Restaurant, von dem ich die wundervolle Stadtkulisse bei untergehender Sonne genießen konnte. Dazu gehörte noch eine Käseplatte mit klassischem Portwein. Schon nach wenigen intensiven Schlücken stellte ich erstmal wieder fest, wie gehaltvoll und aber auch besonders gut dieser Wein ist. Somit konnte ich auf jeden Fall im Hostel sehr gut schlafen.
Schon am ersten Tag machte sich mein Entdeckerdrang bemerkbar, denn ich erkundete alle möglichen Ecken der Stadt. Somit waren meine Füße „warm gelaufen“ und ich legte bereits eine erstaunliche Strecke von 21,69 km mit 30.901 Schritten zurück. Das war ein Wahnsinns-Unterschied für mich, zu den nicht mal 10.000 Schritten, die ich normalerweise tagtäglich schaffe. Was ich mir alles an nur einem Tag in Porto angesehen habe, lest ihr hier ausführlich.
4. Erste Etappe: Immer entlang der Küste von Portugal
Das Wichtigste, um gestärkt in den Tag zu starten, ist ganz logisch ein reichhaltiges Frühstück. Dafür nahm ich mir am Morgen im Hostel Zeit und ging dabei auf der Landkarte meine Tages-Strecke durch. Immer am Fluss entlang und dann an der Atlantikküste weiter, das ließ sich wunderbar einprägen. Ein eindeutiges Ziel hatte ich mir für den Tag nicht gesetzt und demnach auch keine Unterkunft im Vorfeld gebucht. Ich wollte erst einmal testen, wie weit mich meine Füße tragen. Und so startete ich meinen Jakobsweg Portugal …
4.1. Porto – Vila Chã
Los lief ich gegen 9 Uhr, immer bergab durch ein nahezu menschenleeres Porto, dass langsam erwachte. Erst am Ufer des Douro kamen mir einzelne Jogger entgegen, die mich freundlich anlächelten und mir „Bom Caminho!“ zuriefen. Bom, was? Ah, so grüßt man sich also auf dem Jakobsweg. Und damit wurde mir bewusst, dass ich nun wirklich offiziell pilgerte. Es fühlte sich gut an, so am Wasser entlang zu schlendern und die Stimmung zu beobachten, wie sich der Morgennebel am Wasser auflöste und die Sonne langsam aufging. Immer entlang der Promenade, mündete wenige Kilometer später der Douro im Atlantik und die ersten Stände und Kioske waren in Sicht. Außerdem lief ich durch einen größeren Markt, auf dem sich wohl am Samstagmorgen alle versammelten, bummelten und stöberten.
Davon ließ ich mich nicht ablenken, ich kaufte mir nur ein Wasser und steuerte die nächstgelegene Stadt Matosinhos an. Nachdem bereits meine Uhr nach 10.000 Schritten vibrierte, es noch nicht mal Mittag war, erreichte ich mein erstes Tagesziel und war sehr überrascht, dass ich so schnell und noch voller Energie war. Mit Sonnenstrahlen im Gesicht und der angenehmen Meeresbrise war das sicher kein Wunder. Zumal ich umgeben war von goldgelben Stränden – das war Urlaubsfeeling pur! Etwas später kam ich an einem Felsenbad, dem Piscinas de Marés, vorbei. Wenn ich Zeit gehabt hätte, wäre ich sehr gerne ein paar Bahnen geschwommen.
Am Praia do Aterro wurde ich vom Slogan „live. love. eat. & surf.“ angezogen. Hier legte ich nach den ersten 14 Kilometern ein Päuschen im Szene-Restaurant „Xiringuito“ ein und erfreute mich an dem direkten Blick aufs Meer. Bei einem Garnelenomlett mit Beeren-Limonade beobachte ich die Surfer. Einfach herrlich! Gestärkt pilgerte ich weiter über endlos-lang erscheinende Holzpfade nach Vila Chã (Lavra), vorbei an weiteren malerischen Stränden. Vom Wege abkommen kann man hier nicht, denn die Route ist sehr einfach und mit vielen Jakobsweg-Markierungen versehen.
4.2. Vila Chã – Vila do Conde
Währenddessen überlegte mir mein End-Tagesziel. Da es weiterhin gut lief, setzte ich mir hierfür Vila do Conde und musste nur noch eine Unterkunft finden. Ich wollte nicht erst vor Ort schauen, sondern sicherheitshalber schon von unterwegs aus etwas reservieren. Doch online fand ich nichts und ein paar Herbergen, die ich anrief, waren schon ausgebucht. Leichte Panik verbreitete sich in mir. Zum Glück fand ich aber ein Hostel, das noch 1 Bett (!) zur Verfügung hatte, wenn ich bis 18 Uhr anreisen würde. Also beeilte ich mich.
Nun kam der Teil der Strecke, der für mich dann eine Wendung einnahm. Wahrscheinlich hatte ich mir etwas zuviel zugemutet, denn meine Füße fingen an zu schmerzen. Jeder Schritt wurde auf einmal beschwerlich. Der Weg wurde gefühlt immer länger und ich wollte nur noch in der Stadt ankommen. Langsam sah ich das Ziel am Horizont, musste noch eine lange Brücke überqueren und kam sehr erschöpft am Hostel in Vila do Conde an. Etwas enttäuscht war ich von der Einfachheit der Unterkunft und ich fand es zunächst komisch, im Doppelstockbett mit einem älteren Mann untergebracht worden zu sein. Im Zimmer roch es nicht angenehm, da ich es mit zwei weiteren Personen teilte, die ihre Sachen und vor allem ihre getragenen Wandersocken zum Trocknen ausbreiteten.
Der ältere Mann war auch ein Deutscher und lud mich auf ein Treffen mit anderen Pilgern zum Abendessen ein. Das behagte mir jedoch nicht. Ich wollte für mich sein und suchte mir trotz Erschöpfung allein ein Restaurant um die Ecke. Danach ging ich zeitig ins Bett, um wieder fit für den nächsten Tag zu sein. Doch ich schlief mit einem aufgeregten Telefonat der temperamentvollen Portugiesin ein und wurde trotz Ohropax immer wieder von Geräuschen und Schnarchen (!) in der Nacht aus dem Schlaf gerissen. Außerdem wackelte das Ikea-Hochbett bei jeder Bewegung meines unteren Mitbewohners.
Sehr zufrieden war ich allerdings mit meiner zurückgelegten Tagesstrecke von 33,05 km mit 47.078 Schritten
5. Zweite Etappe: Von Stränden zu Kirchenortschaften
An dieser Stelle gibt es mehrere Routenoptionen: Der Jakobsweg Portugal splittet sich hier in den traditionellen Caminho Português Central, der über das Landesinnere nach Rates führt. Zur Wahl steht außerdem der Caminho Português de Costa, der weiter an der Küste ausgerichtet ist. Hier muss jeder für sich entscheiden, welcher persönlich interessanter ist. Für mich war es eindeutig, weil ich die kühle Meeresbrise, Wasser und Meer, dem Land vorziehe.
Im Hostel war ein Frühstück inklusive, somit startete ich erneut damit in den Tag. Es war nicht besonders vielfältig, aber das Wichtigste – Kaffee und Haferflocken – war vorhanden. Ich setzte mich zu einer meiner Zimmergenossinnen und unterhielt mich mit ihr über unsere bisherigen Erfahrungen und Pläne für den Jakobsweg Portugal. Die Südtirolerin erzählte mir sehr stolz, dass sie schon mehrere Jakobswege ging, unter anderen den kompletten Camino Francés. Sehr beeindruckend und gleichzeitig kaum vorstellbar bei dem Muskelkater vom gestrigen Tag! Aber ihrer Aussage nach würde es wohl besser werden, je mehr man läuft.
5.1. Vila do Conde – Aguçadoura
Diese morgentliche Stimmung einzufangen, ist einer der schönsten Momente des Tages und hilft den Schmerz in den Beinen zu vergessen.
Nach den ersten Kilometern wurde das Laufen tatsächlich besser. Somit nahm ich die Impressionen wieder intensiver wahr. Beim Gehen auf den Holzpfaden beobachtete ich die authentische Szene, wie Fischer Algen auf Strandabschnitten harkten und kleine Haufen damit bildeten. Weiter zog ich an niedlichen Steinhäusern vorbei, die man teilweise besichtigen konnte bis hin zu einem Pilgercafé, dass optimistische 212 Kilometer nach Santiago de Compostela ausschilderte. Schließlich legte ich eine Pause an einer erhöhten Stelle am Praia da Codixeira ein, um Surfer im Meer und Sporttreibende am Strand zu beobachten.
5.2. Aguçadoura – Esposende
Glücklicherweise wählte ich diese Stelle am Strand zum Innehalten, denn ab dem Ort Barranha sah ich vorerst nur dörfliche Landschaften. Denn die Markierungen des Jakobsweg Portugal führten zwar seitlich der Küste, jedoch über kleinere Gemeinden. Die Begründung liegt nahe, denn es sollen so viele Kirchen, wie möglich passiert werden. Auf meiner Offline-Karte suchte ich nach einer alternativen Route direkt an der Atlantikküste, doch ich wurde nicht fündig und wollte keine großen Umwege in Kauf nehmen. Infolgedessen führten mich die Symbole vorbei an ewig langen Gemüsefeldern, unbewohnten Straßen, einem Golfplatz und durch einen Wald in Apúlia.
Nach dem Überqueren einer Schnellstraße erreichte ich den nächstgrößeren Ort Fão mit vielen kleinen niedlichen Gassen, in den sich einige typische Pilgercafés ansiedelten. Es folgte eine Autobahnbrücke, an der ich weiter lief und eine große (landschaftlich langweilige) Straße in Richtung Esposende. Der Weg zog sich gewaltig! Ständig schaute ich nach, wie weit es noch ist und meine starken Schwerzen in Beinen und Füßen kehrten zurück. Ich quälte mich dieses Mal sehr, aber erreichte letzten Endes doch noch mein Hostel, dass ich bereits am Vorabend gebucht hatte.
Das EsposendeGuesthouse* am Rio Cávado machte einen überaus sympathischen Eindruck, ich fühlte mich gleich wohl. Es war klein und im Surferstil eingerichtet. In einem 4-Betten-Zimmer war ich die erste und konnte mir meinen Schlafplatz aussuchen. Ich belohnte mich zunächst mit einer wohltuenden Dusche. Als ich danach wieder das Zimmer betrat, wurde ich sehr überrascht, wen ich als Zimmerbewohnerin bekam. Unvorhergesehen checkte die Südtirolerin ein, mit der ich mich noch am Morgen in Vila do Conde am Frühstück unterhielt. Zufälle gibt’s!
Endlich wollte ich mich setzen und meine wohlverdiente Pause nach 25,08 km und 35.688 Schitten einlegen, doch die nette Hosteldame erklärte mir, dass alle Restaurants erst wieder ab 19 Uhr öffnen. Trotzdem schaute ich in der Umgebung nach einer Lokalität und fand das Café „Pé no Rio“ am Fluss. Ich bestellte mir etwas zu essen, ließ den Tag Revue passieren und machte Routenpläne für den nächsten Tag. In der Zeit wechselte das Wetter auf einmal von heiß und sonnig auf stürmisch und kühl, alle Schirme auf der Terrasse flogen weg. Und das war erst der Anfang eines großen Sturms, wobei es in der Nacht noch gewaltig regnete sowie donnerte und blitzte.
6. Dritte Etappe: Durch Nebel und Nieselregen
Nach der Nacht befürchtete ich, den ganzen Tag durch den Regen pilgern zu müssen. Erfreulicherweise entspannte sich die Wetterlage. Während es nur noch leicht regnete, begab ich mich in den Gemeinschaftsraum des Hostels. An einem großen Tisch in der Mitte saßen bereits die Südtirolerin sowie ein anderer Mann und ein Frühstücksplatz wurde bereits für mich gedeckt. Es war sehr liebevoll arrangiert, mit allem was man benötigt. Somit fühlte ich mich gleich heimisch und in familiärer Umgebung. Wir führten sehr interessante Gespräche, unter anderem erzählte der Mann, dass er ursprünglich aus den USA stammt, aber in Japan wohnt. Die gemütliche Runde wurde dann aber relativ schnell aufgehoben, da alle schon Hummeln im Hintern bekamen. Es war deutlich abgekühlt, weshalb ich mich warm einpacken musste.
6.1. Esposende – Marinhas – Castelo do Neiva
Voller Energie und Tatendrang setzte ich meinen Jakobsweg Portugal bei Nebel an der Küste nach Marinhas fort. Ab hier merkte ich sofort, weshalb der Weg nicht unbedingt empfohlen wird. Denn nun endete der Holzpfad abrupt und verlief sich in ländlichen Umgebungen und Gemüsefeldern. Ich entfernte mich zunächst wieder von der Küste. In Castelo do Neiva musste ich einen Fluss überqueren, was sich als gar nicht so einfach herausstellte. Um nicht bis zur nächsten großen Brücke laufen und somit einen Umweg einlegen zu müssen, fand ich zufälligerweise eine kleine „provisorische“ Brücke in einem Wohngebiet. Die Ufer waren nur mit ein paar Bretterchen verbunden und es fühlte sich sehr abenteuerlich an, über diese zu gehen. Aber es war möglich und ich fühlte mich wie Huckleberry Finn!
Ich ignorierte die Jakobsweg Portugal Markierungen und versuchte eigenmächtig über abgelegene Wege wieder zur Atlantikküste zu gelangen. Keine Menschenseele weit und breit, verlassene Häuser und mit dem Wetter wirkte es manchmal schon etwas gespenstisch. Belohnt wurde ich dann aber mit direktem Meeresrauschen und war nach 16 Kilometern bereit für eine Pause. In einem Restaurant an der rauen Küste wärmte ich mich mit einer Suppe, zog dann aber schnell weiter.
Mit meiner Vermutung, schon über die Hälfte geschafft zu haben, lag ich eindeutig falsch. Denn ab sofort ging es nach einem kleinen Holzpfad in Amorosa nur noch querfeldein, aber wirklich direkt am Meer entlang – so, wie ich es wollte. Es pilgerte sich sehr beschwerlich auf den unbefestigen, bergigen Sandwegen. Der schaurige Blick auf das tosende Meer hatte teilweise schon schottisches Flair. Nachdem das geschafft war, sah ich auf einmal wieder Jakobsweg Portugal Markierungen, die zu einem langen Holzpfad, vorbei an einem großen Campingplatz, leiteten.
6.2. Castelo do Neiva – Viana do Castelo
Der Weg bis zum Ufer der Stadt Viana do Castelo zog sich dann wie Kaugummi. Und es wurde noch schlimmer, als sich auf einmal eine geplatzte Blase am kleinen Fußzeh bemerkbar machte. Ich musste sie schnell verarzten, weil ich sonst nicht mehr weiter hätte laufen können. Compeed-Blasenpflaser, sei Dank, linderte den Schmerz und ich ging bis zur nächsten Brücke. Die Ponte Eiffel war ein gewaltiges Bauwerk, die direkt in die Stadt führte. Erneut wurde ich vom Zufall geküsst, denn mitten auf dieser großen Brücke begegnete ich auf einmal dem japanischen Frühstückskumpanen, der eine völlig andere Tagesroute wählte. Wir beide suchten unsere Unterkünfte, welche sich jedoch in entgegengesetzten Richtungen befanden.
Zu den Fuß- und Beinschmerzen folgten auf einmal noch sehr intensive Hüftschmerzen – ich fühlte mich extrem alt. Woher kommen die denn nur, fragte ich mich und quälte mich über die Brücke und die Stufen hinunter. Die letzten Meter bewegte ich mich in Zeitlupe, immer mit kleinen Dehnungsunterbrechungen. In einer belebten Straße erreichte ich dann das Hostel, das leider keinen Fahrstuhl hatte. Dementsprechend ging ich mit letzten Kräften die drei Stockwerke hinauf und musste dann auch noch auf mein Bett warten. „Warum kommt ihr alle immer gleichzeitig?“ fragte mich der Hostelmitarbeiter und ich erwiderte, dass ich mich einfach nur hinsetzen möchte.
Den Schlüssel bekam ich später, aber ich durfte schon in mein Zimmer mit Ikea-Doppelstockbetten, das etwas stickig war. Egal, Hauptsache liegen. Im Bett recherchierte ich vorab nach Unterkünften für den morgigen Tag und war recht schnell frustriert. Es gab sehr wenig Auswahl. Durch das Gespräch mit dem Hostelbesitzer und meinen Mitbewohner änderte ich mein Vorhaben und beschloss schon am nächsten Tag ein Stück mit dem Zug zu fahren, um dann in Tui (Spanien) zu übernachten. Denn da gab es noch freie Betten.
Nachdem ich mich wieder halbwegs erholt hatte, wollte ich doch noch das Bett verlassen und mir die schöne Stadt ansehen. Hauptsächlich suchte ich mir aber ein Lokal zum Abendessen, wodurch ich fast den halben Ort erkundete. Im urigen „Adega do Padrinho“ nahm ich letzten Endes Platz und bestellte leckeren gegrillten Lachs und Weißwein. Da bekam ich kein Glas – nein, gleich eine Karaffe! Der Wein war wirklich gut, aber ich merkte ihn natürlich sofort in den Knochen. Ich schleppte mich wieder ins Hostel und zog eine Tagesbilanz mit 31,48 km und 44.838 Schritten. Wahnsinn! Danach versuchte ich zu schlafen. Es blieb allerdings bei dem Versuch, denn die untere Bettgenossin wälzte sich hin und her, weshalb das Bett ständig wackelte und ein Deutscher im Zimmer sägte gefühlt 1.000 Hektar Wald ab. Ohropax waren wieder zwecklos, erst mit Musik im Ohr ging es einigermaßen.
7. Meine letzte Etappe des Jakobsweg Portugal
Zeitig stand ich auf, frühstückte und ging meinen Tagesplan durch. In dem Moment war es mir noch ein Rätsel, wie ich die Etappe schaffen soll. Denn schon allein beim Gehen vom Zimmer zum Bad und zur Küche hatte ich starke Schmerzen. Ich behandelte meine Fußzehe mit mehreren Blasenpflastern und versuchte loszulaufen. Währenddessen redete ich mir immer wieder ein, dass es besser wird, je mehr ich laufen würde. Sicherheitshalber nahm ich aber noch eine Schmerztablette ein, wodurch ich mich wieder auf meine Umgebung konzentrieren konnte. Solche Schmerzen können einen wirklich verrückt machen und die Laune verderben.
7.1. Viana do Castelo – Carreço
Allmählich fühlte ich mich besser und ging immer weiter die Küste entlang in Richtung Areosa. Dieser Abschnitt war sehr steinig, hatte aber landschaftliche Reize und war mit den vielen Strukturen, Mühlen und Steingebäuden sehr interessant zu betrachten. Weiterhin gab es auch hier ein paar kleine, in Felsen eingelassene, Pools, worin sich Badende aufhielten. Selbst auf dem felsigen Untergrund sonnten sich einige Menschen, was aus meiner Perspektive nicht sehr bequem aussah. Ich folgte den Holzpfaden und gepflasterten Wegen und sah einige Jogger, Fahrradfahrer und Spaziergänger an mir vorbeiziehen. Natürlich begegnete ich auch hin und wieder andere Pilger, die ganz eindeutig aus der Masse herausstachen.
Einmal wurde ich sogar von einer älteren Frau überholt, welche ich später in einem Café am Wegesrand wieder traf. Bei einem Espresso für unschlagbare 50 Cent (!) kamen wir ins Gespräch. Ich teilte ihr meine Bewunderung mit, dass Sie in dem Alter so schnell wanderte. Die ursprünglich aus Neuseeland stammende Französin teilte mir daraufhin mit, dass sie geübt sei und mehrmals im Jahr pilgern würde. Sehr beeindruckend! Außerdem erzählte sie mir, dass sie nach Santiago fahren wird. Somit wurde ich in meinem Vorhaben bestätigt und fühlte mich weniger schlecht, den Jakobsweg Portugal nicht vollständig gelaufen zu haben. Mit einem abschließendem Schmeichler, dass ich eine sehr gute englische Aussprache habe, trennten sich unsere Wege.
7.2. Carreço – Vila Praia de Âncora
Kurzzeitig entfernte ich mich leicht vom Meer, wurde aber an einer großen Mühle vorbei, durch ein wunderschönes Naturschutzgebiet in Carreço geleitet. Für jeden Pflanzenliebhaber war dies ein kleines Paradies, denn man fand eine große Artenvielfalt vor, die dementsprechend gekennzeichnet war.
Kontrastreich wurde es ein paar Kilometer später in Afife. Während ich noch über den ähnlich klingenden Film „Alfie“ mit Jude Law nachdachte, war ich von einer Gruppe Surfer umgeben. Plötzlich war ich an einem feinen Sandstrand gelandet und ließ die Szenen auf mich wirken. Zum perfekten Summerfeeling fehlte nur noch Eis! Zum Glück stand da gleich ein Kiosk.
Mit dem Eis in der Hand ging es weiter am Strand von Ínsua und an Gemüsefeldern vorbei, durch einen Wald zum nächsten Panoramastrand in Gelfa. Von einer Steinplattform hatte man einen total schönen Blick aufs Meer. Von da ging ein ganz langer Holzpfad nach Vila Praia de Âncora ab. Es lief sich richtig gut, da dieser direkt auf dem Sandstrand befestigt war. Ein wenig musste man auf den Weg achten, da hin und wieder Holzbretter fehlten und der Pfad teilweise von Sand überweht war. Generell war es sehr stürmisch, weshalb ich mit Sandkörnern am Körper, die sich wie kleine Stecknadeln in der Haut anfühlten, zu kämpfen hatte.
7.3. Vila Praia de Âncora – Caminha
Über einen Umweg erreichte ich die Stadt, machte mir einen Eindruck davon und bewegte mich durch die Jakobsweg Portugal Markierungen schnell wieder in Richtung Wasser. Die Promenade war sehr gut ausgebaut und überall gab es Sitzmöglichkeiten zum Pausieren. Diese Möglichkeit nahm ich wahr und hielt kurz inne. Mein nächstes Ziel Caminha schien auf der Landkarte sehr nah zu sein. Doch bis dahin war es tatsächlich noch ein laaaanger Weg. Dennoch genoss ich die tolle Umgebung und erfreute mich an den frei herumlaufenden Ziegen. Ich lief auf einen Berg im Horizont zu, der zum spanischen A Guarda gehörte.
Somit lief ich auf portugiesischem Boden während ich nach Spanien blickte. Das war ziemlich cool.
Ich hatte mir einen Zug herausgesucht, mit dem ich von Caminha aus fahren wollte. Da ich diesen schaffen und auch unbedingt den Ort erreichen wollte, legte ich einen Zahn zu. Von der Promenade aus ging es dann Land einwärts, an Verkehrsstraßen entlang und auf einer nicht endenden Straße weiter, bis ich dann endlich das Ortseingangsschild las. Trotz erhöhter Geschwindigkeit wurde es sehr knapp, weshalb ich beschloss, den nächsten Zug zu nehmen und noch langsam durch die Stadt zu schlendern. Die Altstadt war klein und gemütlich. Mittendrin befand sich ein Marktplatz, auf dem gerade eine Fernsehsendung gedreht wurde und sich eine Menschentraube versammelte. Die kurze Pause, die ich zuschaute, war ein Fehler. Denn auf einmal kamen geballt alle Schmerzen wieder. Hinzu kamen auch noch Knieschmerzen, sodass ich Probleme beim Auftreten und Treppensteigen hatte. Oh Mann!
7.4. Caminha – Valença – Tui
Irgendwie schaffte ich es zum Bahnhof, legte mich am Bahnsteig quer auf eine Bank und wartete auf den nächsten Zug nach Valença. Nur 2,95 € kostete ein Ticket, dass ich gleich zu Beginn der Fahrt beim Schaffner löste. Es fuhr sich sehr angenehm im klimatisierten Zug und ich war schnell am Ankunftsort. Sehr gerne wollte ich mir noch die Stadt ansehen, doch erstens konnte ich wirklich kaum noch laufen. Zweitens war es schon sehr spät und drittens musste ich noch 3 Kilometer zu meiner gebuchten Unterkunft in Tui wandern.
Der Jakobsweg Portugal führte über eine große Stahlbrücke und wurde auf einmal richtig interessant. Denn ich hatte einen schönen Panoramablick und lief nun von Portugal übers Wasser nach Spanien. Das war ein großartiges Gefühl! In Tui angekommen, stellte ich fest, dass die Stadt auf einem Berg liegt. Um Gottes Willen! Ich nahm meine allerletzten Kraftreserven zusammen, erklomm die ansteigenden Straßen und Treppen, bis ich das Hostel erreichte. Nicht gerade freundlich wurde ich empfangen, da die Rezeptionistin nur spanisch sprach und sich auch sonst keine Mühe gab. Sie zeigte nur auf einen Raum, in den ich gehen sollte. Beim Öffnen der Tür war ich geschockt! Auf mich wartete ein sehr einfaches 20-Betten-Zimmer. So sieht sicher auch eine Unterkunft für Rekruten zur Armeezeit aus. Hier soll ich übernachten? Nach der anstrengenden Anreise hatte ich mir etwas besseres erhofft. Aber was soll’s, Hauptsache ein Bett!
Der Hunger trieb mich noch einmal in die Stadt. Dabei stellte ich fest, dass ich dieses Mal zur richtigen Restaurant-Öffnungszeit da war, denn in Spanien musste ich die Uhr um eine Stunde vorstellen. An der Kathedrale von Tui wurde ich fündig und bestellte mir in schöner Atmosphäre „Tortilla“. Das ist allerdings nicht das, was ich mir vorstellte, denn ich bekam einen großen Kartoffel-Ei-Fladen. Mit einem Glas violettem Wein fühlte ich mich besser und begab mich anschließend wieder in den ungemütlichen Schlafsaal. Noch ein letzter Blick auf meinen Schrittzähler: 35,88 km und 51.108 Schritte. WOW! Mit dem Ergebnis hatte ich mich selbst übertroffen.
8. Vom Pilgern zum Kult
Eigentlich wollte ich entspannter in den Tag starten und ausschlafen. Doch Punkt um 7 standen alle Zimmer-Mitbewohner auf und machten Lärm. Verstehen konnte ich es, denn es war tatsächlich kein schöner Ort zum Verweilen. Ich schloss mich den anderen an, strich das inbegriffene Frühstück und steuerte ein modernes Pilgercafé an. Das Ideas Peregrinas hatte es mir gleich angetan, weshalb ich hier ein Stück verweilte. Mit leckerem Oatmeal, Omlette und frisch-gepresstem Orangensaft kundschafte ich die Zugverbindungen aus. So richtig blickte ich nicht durch und fragte daher das Personal. Sehr, sehr freundlich überzeugte mich die Bedienung, lieber mit dem Bus zu fahren, weil man mit dem Zug länger unterwegs ist und es schlechte Verbindungen gibt. Sie schrieb mir alle notwendigen Informationen auf und zeigte es mir auf der Karte.
8.1. Tui – Santiago de Compostela
So fuhr ich 10.30 Uhr (mit 15 Minuten Verspätung) ab Tui mit dem ATSA Bus nach Vigo und von da aus 12.20 Uhr für 1 1/2 Stunden mit Monbus in die Pilgerstadt Santiago de Compostela. Nach dem langen Sitzen konnte ich erstmal sehr schwer laufen, was die Tatsache, dass die Stadt auf einem Berg liegt, nicht vereinfachte. Nichtsdestotrotz ließ ich mich von der Neugier treiben und verdrängte jeglichen Schmerz. Zielgerichtet lief ich zu meinem Hostel, um mein Gepäck abzuwerfen.
Auf dem Weg kam ich allerdings schon an der imposanten Kathedrale von Santiago de Compostela vorbei. Obwohl ich diese erst später in Ruhe besichtigen wollte, stoppte ich und ließ alle Eindrücke auf mich wirken. Hunderte Pilger versammelten sich auf dem Platz des Obradoiro vor der westlichen Fassade der Kathedrale und lagen einfach nur auf dem Steinfußboden. Sie blickten gleichzeitig erschöpft und erfreut auf das Bauwerk, das Würde und Kraft ausstrahlt. Andere umarmten sich, feierten ihre Ankunft sehr ausgelassen mit Musik und sprangen umher oder posierten wie wild mit Kameras vor der Kulisse.
Es entwickelte sich eine Eigendynamik sowie ein Gefühl, dass sich kaum in Worte fassen lässt, in mir sogar Unbehagen auslöste.
Seit dem Mittelalter pilgern Millionen Christen aus allen Richtungen zur Kathedrale, um das darin beherbergte Grab des Heiligen Apostel Jakobus aufzusuchen. Immerhin gilt Santiago nach Rom, Jerusalem und Guadalupe als einer der bekanntesten Wahlfahrtsorte der Welt und versprühte somit geballte religiöse Schwingungen. Das Zusammentreffen aller Pilger hatte für mich einen leichten sektiererischen Beigeschmack und äußerte sich in übermäßigen Pilgerkult, mit dem ich mich nicht identifizieren konnte. Vielleicht lag mein Missfallen aber auch darin begründet, dass ich nicht – wie die meisten – wochenlang unterwegs war und mich somit nicht in die überschwängliche Erleichterung hineinfühlen konnte. Davon abgesehen war ich wirklich sehr begeistert von der barocken Architektur der Kathedrale, dafür hatte es sich definitiv gelohnt, hier her zu kommen.
8.2. Der letzte Stempel
Um die Ecke befand sich schon mein vorab gebuchtes Hostel Santiago KM-0. Ich checkte ein, legte mein Gepäck ab und erkundete auf eigene Faust die Stadt. In den kleinen Gässchen versteckten sich viele Cafés, Kneipen und Restaurants sowie unzählige Souvenirgeschäfte. An Jakobsweg-Fan-Artikeln führte kein Weg vorbei! Davon übersättigt, zog ich mich in ein Café im nahegelegenen Parque da Alameda zurück. Das war sehr wohltuend – eine Ruhe!
Danach ging ich noch ins Pilgerbüro, um meine Mini-Stempelsammlung (mit Stempeln der Kathedrale von Porto und den Unterkünften) im Pilgerausweis zu vervollständigen. Massen von Menschen stellten sich hier in Reihen an und warteten auf die Ausstellung ihrer Compostela. Ich ging zur kürzesten Schlange, wo ich vom Bearbeiter schon fast ausgelacht wurde. „So wenig Stempel? Da bekommt man keine Urkunde!“ Aber darum ging es mir auch nicht, ich wollte wirklich nur ein symbolisches Andenken für meinen Jakobsweg Portugal.
Den Rest des Abends verbrachte ich mit der Suche nach einem Restaurant zum Abendessen. Ich ging noch einmal durch die ganze Altstadt und musste feststellen, dass hier die Lokale erst zwischen 20 und 21 Uhr öffnen. An die späten Lokal-Öffnungszeiten in Portugal und Spanien konnte ich mich als Deutsche einfach nicht gewöhnen. Nach dem langen Fußmarsch fand ich noch ein Café, das halbwegs gute Tapas und Rotwein servierte. Länger konnte ich nämlich nicht aufbleiben, da ich am nächsten Morgen mit dem Bus zum Flughafen fahren wollte. 6.45 Uhr ging mein Flug nach Madrid, wo ich noch einen 24 Stunden Städtetrip anhängte, bevor es wieder in die Heimat zurück ging.
9. Mein Fazit zum Jakobsweg Portugal
Sei es aus religiösen oder spirituellen Gründen, ob man nur wenige Tage oder ein paar Wochen am Stück Zeit hat. Es ist ein befreiendes Gefühl, selbstbestimmt durch ein unbekanntes Land zu laufen und dabei einmal komplett den Alltag auszuschalten. Kein Empfang, keine E-Mails, keine Telefonate, keine Ablenkung – das ist das Digital-Detox von heute. Den Gedanken ungefiltert freien Lauf zu lassen, ist definitiv gewollt. Nicht immer erscheinen Sie angenehm, doch helfen Sie dabei, bestimmte Denkweisen aufzulockern und umzustrukturieren. Ich habe somit negative Erlebnisse verarbeiten und mich für neue Herausforderungen vorbereiten können.
Mindestens einmal im Leben zu Pilgern kann ich wirklich jedem empfehlen. Es lohnt sich in mehrfacher Hinsicht!
Zu guter Letzt hat es mir Portugal sehr angetan. Keine Ahnung, warum ich vorher noch nie in dem Land war. Die Menschen sind sehr freundlich und hilfsbereit, weniger temperamentvoll, als die Spanier. Das Essen und deren Portwein sind erstklassig und vor allem die Landschaft ist wunderschön! Außerdem liebte ich die frische Luft, den Geruch, das Meeresrauschen und die wärmende Sonne auf meiner Haut. Nach einer Woche an der Atlantikküste fühlt man sich (trotz körperlicher Strapazen) erholt und ausgeglichen. Ich wurde von den gut gelaunten und hippen Surfern angesteckt und will auf jeden Fall irgendwann, irgendwo einmal Surfen lernen. Alles in allem ist der Jakobsweg Portugal perfekt zum Kennenlernen des südeuropäischen Landes!
2 Kommentare
Ich finde sie großartig,dass trotz blasen und schmerzen nicht auf gegeben haben.Ich möchte Monat November Camino portugues laufen.porto.vila .Ponte delima TUI .santiago.Ich hoffe das mir gelingt.
Ich nehme viel von ihrer Erlebnis mit.
vielen Dank und bleiben sie gesund.
Das freut mich zu hören. Sie werden es auf jeden Fall schaffen! Ich wünsche Ihnen eine wundervolle Zeit. Genießen Sie es!